Die Sprachlosigkeit in Beziehungen und Gruppen

Die Zwiegespräche von Michael Lukas Moeller haben ähnliche Grundelemente wie die Gemeinschaftsbildung, nur dass mit einer festen Zeitstruktur gearbeitet wird. Jeder bekommt 15 Minuten (wir machen es meist mit jeweils 5 Minuten, wir haben dafür eine Schachuhr), in denen er sprechen oder schweigen kann, je nach Impuls. Die anderen hören aufmerksam zu. Wenn in Zweierbeziehungen und Kleingruppen zu wenig Erfahrung im Umgang mit den Kommunikationsempfehlungen und dem emotionellen/ energetischen Transformationsprozess (den 4 Phasen) vorhanden ist, kann die Zeitstruktur ein gutes Hilfsmittel sein, um positive Ergebnisse zu erreichen bis die Zweierbeziehung/Gruppe mehr Sicherheit gewonnen hat. Man findet schneller in eine Tiefe und konzentrierte Kommunikation. Lukas Möller schreibt: „Sprechen Paare unzureichend miteinander, so entstehen zwei verflochtene Teufelskreise.
Der erste Teufelskreis verstärkt die Sprachlosigkeit: Zu wenig miteinander reden → zu geringe Abstimmung der Bedürfnisse → Enttäuschung → Missstimmung → noch weniger miteinander reden → und so fort.
Der zweite Teufelskreis lässt die Erotik erlahmen: Zu geringe Abstimmung der Bedürfnisse → Abflauen erotischer Gefühle füreinander → vertiefte Enttäuschung → stärkere Gereiztheit → noch weniger miteinander reden → schwächere Abstimmung → Vergehen der Lust → und so fort.“
Wenn ein Paar nicht genügend miteinander redet, werden die Bedürfnisse zu wenig ausgesprochen. Deshalb kann ein Paar sie weder genügend wahrnehmen noch aufgreifen und so können sie auch nicht aufeinander abgestimmt werden. Aus dieser oft nicht bemerkten Enttäuschung entwickelt sich Zorn, der sich immer mehr ansammelt. Mit der Zeit verbittern die Paare, stumpfen ab, wenn sie nicht auseinander gehen. Man will nicht andauernd gereizt sein auf den Partner, also versucht man das zu verdrängen so weit es gelingt. Man verleugnet den Enttäuschungszorn, versucht Harmonie vorzugeben. Depressive Verstimmungen, psychosomatische Beschwerden sind oft die Folge, irgendwann erlischt auch die Sexualität. Michael Luks Möller hat das Zwiegespräch entwickelt um Paaren die Möglichkeit zu geben aus diesem Teufelskreis der Sprachlosigkeit herauszufinden. Zuerst muss die Vortäuschung der Harmonie durchbrochen werden, dann tauchen die Konflikte und Kritik auf. Das kann sehr unangenehm sein, aber nur wenn diese ans Tageslicht dürfen, sind wirkliche Lösungen möglich. Er sagt, das Tempo spielt bei diesen Zwiegesprächen nicht so eine große Rolle, entscheidend ist das man dran bleibt und zitiert dafür das chinesisches Sprichwort: "Fürchte dich nicht vor dem langsamen Vorwärtsgehen, fürchte dich nur vor dem Stehenbleiben".

Diese Abwärtsspirale gilt auch für eine Gruppe (und für die Gemeinschaft mit mir selbst). Ein Buch der Gemeinschaftsbildung in Amerika heißt "Building Community Anywere". Es ist eigentlich sehr leicht zu beginnen, man muss nur anfangen sich mit einer anderen Person regelmäßig zu treffen. Nach Michael Lukas Moeller ist es für eine Zweierbeziehung existentiell wichtig sich mindestens einmal pro Woche für einen fest vereinbarten Termin zu treffen. Er schlägt sogar vor, einen festen Ausweichtermin zu vereinbaren, falls etwas dazwischen kommen sollte, sodass der Termin nicht ausfallen kann. Ich kann mir mittlerweile gar nicht mehr vorstellen, wie eine Zweierbeziehung ohne so einen Rahmen der Gemeinschaftsbildung (mit oder ohne Zeitstruktur) funktionieren kann. Ähnliches gilt für die Gemeinschaft mit mir selbst. Auch hier gibt es den Teufelskreis der Sprachlosigkeit, ist es sehr wichtig sich die notwendige Zeit zu nehmen und zu horchen, was ist eigentlich in mir drin, was möchte ausgedrückt werden, wo möchte meine innere Stimme mich hinführen. Auch darin kann man mit der Zeit Übung bekommen und immer besser in Kontakt mit sich selbst sein.
In der Gemeinschaftsbildung geht es viel darum zu erforschen, wie ich mit meiner Sprache den Aufbau von Energie einer Gruppe/Kreis fördere und wie ich ihn behindere. Ähnliches gilt auch für Handlungen im eigenen Leben. Mit welchen Aktivitäten baue ich Energie auf, womit reiße ich sie nieder? Im Schamanismus nennt man diese Kunst den Weg des Kriegers, bzw den Weg der Makellosigkeit. Es ist ein Weg der Disziplin, eine Art Kampf mit sich selbst, alles aus seinem Leben zu eliminieren, was die eigene Energie abbaut: Fernsehen, Alkohol, Rauchen, Zeitung lesen, zu viel Pseudokommunikation, jegliche Unterhaltungsaktivitäten, Süchte jeglicher Art, zu viel Essen, zu viel Zucker (möglichst kein Zucker) etc. Diese Aktivitäten ersetzt man durch Dinge die Energie aufbauen (Authentische Aktivitäten): tiefe, erfüllende Kommunikation, Zeit für sich selbst (einfach „Leerlaufzeit“ zum in sich hineinzuhorchen), nährende Gruppenaktivitäten, Yoga, Meditation, meditatives Spazierengehen, etc. Wer diesen Weg geht, kommt aus dem Teufelskreis der Gefühle raus. Verdrängungsaktivitäten geben den schwierigen Gefühlen Nahrung, machen Sie fast unüberwindlich und erhöhen den Druck, die Notwendigkeit der Verdrängung. Geht man den anderen Weg, lassen sich die Gefühle leichter transformieren und man gewinnt immer mehr Kraft. Wenn man erkennt, dass Verdrängung gar nicht notwendig ist, dass die schwierigen Gefühle gar nicht solche Schreckensgespenste sind, dann ist der Weg frei für ein wirklich blühendes Leben, für echtes Wachstum.

Götz Brase Dez 08


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